Autokino

 

Eigentlich ist schon dermaßen viel geschrieben und gesagt über Kanadas sensationelle Natur, dass wir uns das eigentlich sparen wollten – eigentlich! Aber es juckt in den Fingern… also bitte einsteigen:

Ich nehm` wieder Platz. Ein großer Schritt und nach oben gehievt, zack sitze ich in meinem Kinosessel. Anschallen, Armlehnen nach unten und die Füße vorne aufs Armaturenbrett…und los geht`s. Es dauert nur Sekunden und schon bin ich mitten drin im Grünrausch.

Ja da hat jemand kräftig zugelangt und alle Grüntöne in die Welt geschmissen, die so zu haben sind. Saftiges grün auf den Wiesen - mal ganz hell, mal tiefgrün. Sattes dunkles grün an den Nadelbäumen, zartes grün an ihren  jungen Trieben. Frisches glänzendes grün an den neuen Blättern der Birken, oder ein gelbliches grün an den ersten Blättern der Pappelarten. Mattes kräftiges grün an den Bäumen, deren Laub schon dichter ist...

 

 

Dazu die Seen in allen Größen. Die kurvige Straße bringt nach jeder Biegung neue Überraschungen. In einer Lichtung taucht ein Elch auf und noch steht der Mund offen, da sind wir schon wieder vorbei. Eine Kuppe runter, fahren wir direkt auf ihn zu, auf den ganz Großen – den Lake Superior. Das Wasser leuchte in seinen Blautönen, rechts an der Seite zieht eine Eisenbahnlinie in einer langen Kurve an ihm vorbei… wir gucken von oben auf die kleine Märklin-Welt…

 

Immer wieder gibt`s kleine Einschnitte mit zumindest für kanadische Verhältnisse kleineren Seen – eingerahmt von Bäumen, auf  kleinen Felsinseln klammern sich Tannen fest, nach hinten ziehen Kanäle weiter – jeder Spreewaldkrimi, würde er hier gedreht, hätte Überlänge. Abgestorbene Bäume ragen schief aus dem Wasser, manchmal so viele, dass es aussieht, als hätte jemand ein übergroßes Mikadospiel aufgestellt…

„Pittoresk“ sei die Landschaft hier rings um den Superior, hat uns eine Kanadierin vorher erzählt.

 

Und mein Autokino läuft immer weiter. Längst eigentlich von all den Eindrücken überlaufen, kann sich das Auge einfach nicht satt sehen – und als wäre noch nicht genug im Angebot, säumen Felsen den Highway. Kaum einer, auf dem sich nicht irgendwer die Mühe gemacht hat, noch ein Steinmännchen drauf zusetzten: eins mit O-Beinen, wie Pierre Littbarski. Ein anderes erinnert mit seinen großen hängenden Arnen an einen Gorilla und das nächste hat den Kopf bequem auf die Arme gelegt und guckt vielleicht sein eigenes „Autokino“…

 

Ein lautes, tiefes Horn holt mich aus meinen Träumereien – wieder einer der überlangen LKW, der uns überholt – Thomas grüßt zurück und lässt unseren Ivo sein eigenes stolzes wenn auch leises „Tröt“ hupen.

Wow, ein richtiger Truck hat ihn gewürdigt, jetzt gehört auch er zu den ganz Großen!