Gönne könne

 

Ihr müsst jetzt ganz stark sein! Ihr müsst „gönne könne“… wer da Schwächen hat, der klickt am besten gleich weg.

 

Die Geschichte beginnt etwas holprig – wir wollen ans Meer, sind satt von Bäumen, Bären, Gletschern – wir wollen ans Meer! Also schlagen wir eine Schotterpiste ein, die laut Karte ans Meer führt. Nach 19 geschüttelt und gerührten Kilometern erreichen wir eine Recreationsite. Die British-Columbianer sind damit sehr großzügig. Irgendwo im Nirgendwo gibt’s immer wieder freie Campingplätze, ein Stellplatz ´fer umme´ mit Plumpsklo. Dieser hier ist schon fast gut, nur ans Meer kommen wir nicht. Das hat eine Holzfirma blockiert. Die Angler auf dem Platz aber wissen Rat, noch mal `ne dreiviertel Stunde schütteln und rühren: Das wird unser Platz.

 

Tatsächlich, er erfüllt alle unsere Erwartungen! Nur wissen das auch viele andere Menschen und es ist Samstag, der Platz rappelvoll und wir keineswegs bereit auf unseren Meerblick zu verzichten. Wir quetschen uns also dazwischen, rücken vor allem Russel und Ina eng auf die Pelle. „ No problem!“ Russel ist Kanadier mit unverkennbar britischen Wurzeln. Er trägt helle Knickebocker, ein Stückchen hellweiße Haut guckt zwischen denen und seinen Kniestrümpfen raus. Und Russel ist tiefenentspannt. Mit stoischer Gelassenheit überbrückt er unseren holprigen Start in der Nachbarschaft, bis mit dem Letzten freundlichst beraten und ausdiskutiert ist, wie unser Ivo am wenigsten stört. Es folgen aus jeder Ecke noch einige Räubergeschichten vom heimischen Platzbär und das Versprechen, wir werden Wale sehen: Sie ziehen hier direkt an unserer Nase vorbei… alles wird gut!

 

Am nächsten Morgen reisen die Nachbarn ab, die direkt am Strand den Logeplatz haben. Wir hören die ersten Wale ankommen, sehen (wenn auch noch ziemlich weit weg) unsere ersten Orcas! und wir rücken auf. Vor ins „Penthouse“, meint Russel, der leider kurz darauf abreist. Ina und er hatten eine schlechte Nacht. Der einzige, der tief und fest geschlafen hatte, war ihr Hund. Die beiden aber sind sicher, sie haben nicht nur den Bären gehört, als er um ihr Zelt schlich. Der halbe Platz war wohl unterwegs, weil eine Frau gellend geschrieen hatte – wir haben`s verschlafen…

 

 

 

 

Thomas steht wie Captain Hook im Ausguck im Vorgarten unseres Penthouses und wartet auf Moby Dick. Die Augen mal mit mal ohne Fernglas immer nach draußen aufs Meer. Mehrere Gruppen Orcas ziehen vorbei, einmal auch ein Buckelwal, dazu gibt`s Angler in Kajaks, Whalewatching-Boote, Containerschiffe und Fähren. Das Leben meint es gut mit uns!

 

Derweil ziehen drei junge russisch-stämmige Jungs auf den Platz von Russel. Innerhalb von Minuten haben die drei aus ihren zwei PKW rausgeholt, was der Mensch so braucht – der große Picknicktisch steht voll mit Anglerutensilien, Kaffeetassen, Gaskocher, Musicman, Brot, Keksen, Dosen… ringsum den Tisch Schlauchboote, Angeln, Campingstühle, Hängematten, Schuhe, Handtücher, Gitarre….

 

Ob wir Lachs mögen, fragt mich Max, einer der Jungs – zumindest ist es das, was ich verstehe. Nach dreimaligem nachfragen wird klar, es geht nicht um Lachs (also Salmon) sondern um eine Sauna – und er meint das ernst!

 

Der Lachs kommt trotzdem: Lars, ein Deutscher, der mit seiner Kleinfamilie hier seine Elternzeit verbringt, steigt mit dem frisch gefangenen Fisch aus seinem Kajak und hält ihn Thomas hin. Er hat schon so viele Lachse gefangen, dass sie von ihnen niemand mehr essen will. Der Lachs wird uns später geputzt und pfannenfertig filetiert frei Haus ins Penthouse geliefert, während die Jungs ein Saunazelt auf- und Holz klein schlagen.

 

 

 

Gegen Abend ist „angerichtet“ – die Sauna sieht vielleicht von außen etwas ungewöhnlich und eher rustikal aus, innen haben die Jungs alles gegeben: Der kleine Ofen bollert ordentlich, darauf liegen Steine, im großen Wasserkessel brodelt ein Bündel Zedernholzäste. Wir sitzen und schwitzen auf zwei Bänken, über uns hängt eine kleine Lampe und aus der Ecke trällert Musik. Zum Abkühlen geht`s  zwischendurch ein paar Schritte über den Kiesstrand ins eiskalte Meer.

 

Dann taucht Lars wieder auf, dieses mal mit einem frischen Krebs. Also gibt`s den dann zum Abendessen. Der Lachs kann auch noch bis morgen warten.

 

Zwischendurch stehen wir alle um den üppigen Tisch der Jungs, einer von ihnen zieht eine Tupperdose ran, öffnet den Deckel und sagt: „Es geht auch noch besser! Selbst gemachter Kaviar“, verkündet er mit russischem Stolz. Detailreich beschreibt Max, wie er den Lachsrogen ausgeschabt, ihn so und solange gesalzen, so und solange gewässert hat.

 

Wir verziehen uns zu unserem Krebs, der Kaviar wird uns nicht mehr nachgereicht – ´Was soll´s´ denken wir, als wir mit nach Zedernholz duftender, weicher Haut ins Bettchen kriechen.  

 

Man muss ja auch mal „gönne könne“.