El Hostal

  

Eine Woche Spanisch-Kurs in Merida sind gebucht. Ich bleibe alleine in der Stadt, während Thomas loszieht, um Flamingos zu „studieren“. Ich komm` in einem Hostal unter, es ist günstig, sauber und auf den ersten Blick schon ganz angenehm. Allerdings hab` ich schon ein bisschen Muffensausen und Respekt vor dem alleine sein. Also schmiede ich gleich Pläne, was ich die Woche neben dem Spanischunterricht noch so machen könnte. Tatsächlich stellt sich das alles als Mumpitz raus, ich brauch` kein Programm, ich krieg` es frei Haus geliefert…

 

Wer es nicht will, braucht im Hostal La Ermita praktisch keine Minute alleine zu sein. Es ist ein quirliges Kommen und Gehen Reisender aller Herren Länder und sie alle haben ihre Art zu reisen.

 

Daneben aber gibt es auch noch eine kleine Hostalfamilie. Zwei adrette Mexikaner, die sich in Merida niederlassen wollen. Den Großteil des Tages chillen sie aber am winzigen Pool im Hostal, bevor sie dann gegen 23 Uhr aufbrechen, um um die Häuser zu ziehen… für mich ist dann Schlafenszeit, denn morgens will schließlich der Ranzen für die Schule gepackt sein.

 

Dann gibt es da noch die beiden Kolumbianer, die zusammen mit dem Franzosen so allem zusprechen, was irgendwie lustig macht. Dazu Mike, der Ami, der seit Wochen im Hostal lebt, weil er sich in Merida seine Zähne machen lässt. Daniel, der mit dem Motorrad durch Amerika fährt und hier seit zwei Wochen irgendwie nicht mehr wegkommt. Und ja, jetzt noch mich.

 

 

 

 

Meine neue Kleinfamilie würde ja an sich schon ausreichend Unterhaltungsprogramm bieten, zu ihr kommen dann aber noch die, die für ein bis drei Tage in dem Hostal absteigen.

 

Ein „älteres“ kanadisches Paar zieht mit seinem Wohnmobil im Garten des Hostals ein und genießt schnell die entspannte Stimmung am Pool. Er vor allem. Ein etwas angegrauter Pfau, der das wohlmeinende Publikum nutzt, um mal sein großes Rad zu schlagen und die Farbenpracht am Pool präsentiert. Also schickt er erstmal seinen Hund ins Wasser, der tapfer voran paddelt und es irgendwie schafft sich den Minipool mit „Keks“, dem stets fröhlichen Kolumbianer zu teilen. Danach lässt sich der Kanadier vom Kolumbianer dessen Armbändchen (einer seiner Geschäftszweige) zeigen, um schließlich mit viel Brimborium eines davon zu kaufen. Nach einigen Cervezas legt der Pfau schließlich Tequilla nach. Der wiederum macht den „Ossi“, der grad angereist ist, dann auch froh. Und der Kanadier erduldet tapfer, wie der Ossi mehrmals sein Wasserglas mit Tequilla füllt. Ein Großteil der Hostalfamilie geht derweil nach und nach duschen, um pünktlich um elf in die Disco zu ziehen.

 

Am nächsten Morgen ist von den Mexikanern und dem Franzosen nichts zu sehen. Die beiden Kolumbianer liegen in Hängematten – der eine hinten im Garten und Keks wie immer in einer der Hängematten am Pool, eine Decke über die Augen gezogen.

 

Beim Frühstück hat Mike ein paar Neuigkeiten zu seinen Zähnen, ich schnür` meinen Ranzen und komme wieder –nach Hause- wenn alles beim alten ist. Die komplette Familie hängt grinsend und gackernd um den Pool.

 

Dazu gibt es heute einen, ich schätze Mitte 60-Jährigen, Chinesen. Das Getümmel des jungen Partyvolks um ihn nimmt er gelassen hin, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gesehen. Er ist bestens organisiert und verbringt die nächsten eineinhalb Stunden mit seiner Essenszubereitung. Am Ende sitzt er vor einer riesigen, super lecker riechenden Pfanne. Während ich noch denke, wie süß, der hat für uns alle gekocht, fängt er an zu löffeln. Das dünne Ärmchen, an dem eine goldene Uhr in der Größe einer Espressountertasse hängt, schaufelt… und irgendwie verschwindet der komplette Pfanneninhalt in dem spindeldürren Menschen, mit seiner viel zu weiten, beigen Hose, die fest von einem Gürtel zusammengeschnürt ist. Ich bin beeindruckt und hab` die letzten zwei Stunden quasi nix gemacht, aber viel Spaß gehabt.

 

Am Abend ´same procedure than every day´ und am Morgen dasselbe Hängemattenbild. Am Frühstückstisch allerdings sitzt heute ein „Neuer“ bei Mike. Ich löffle meine Joghurt und reib` noch die Augen  überm kräftigen Kaffee, als der Neue schließlich seine Stimme erhebt und uns den Elvis gibt… gut, dass meine Vormittage mit Schule belegt sind, denk` ich und pack mein Ränzlein.

 

 

 

Gegen Ende der Woche löst sich meine Herbergsfamilie dann nach und nach auf. Selbst der Franzose, der schon zweieinhalb Monate hier ist, ist wild entschlossen, nächste Woche weiter zu ziehen. Und auch ich sag „adios“. Ein bisschen wehmütig, mit einer Kladde voll Spanisch im Ranzen und meiner ersten Hostalerfahrung im Gepäck zieh` ich zurück in mein Heim und freu mich auf mein Autokino.